Der neue Oberbürgermeister, der nun am Rednerpult stand, gab sich zwar äußerlich bescheiden und zurückhaltend, inhaltlich aber wild entschlossen. Worte wie „jetzt“, „künftig“ oder feste Versprechen untermauerten den Tatendrang. Und mit einer langen Liste an To-Do’s, die er auch im Wahlkampf bemüht hatte, setzte sich das neue Stadtoberhaupt schon fast selbst unter Druck. Unter dem Strich war die Quintessenz: In VS soll für das neue Stadtoberhaupt unter seiner Führung künftig in vielen Bereichen ein anderer Wind wehen.
Jürgen Roth: „Lassen Sie uns starten!“
13.01.2019
Quelle: www.schwarzwaelder-bote.de
Ein neues Jahr, ein neuer Oberbürgermeister – auch wenn dieser, Fridi Millers Wahlanfechtung geschuldet, zunächst „nur“ als Amtsverweser vereidigt werden musste. Selten war VS auf eine Neujahrsansprache so gespannt wie am Sonntag. Denn klar war: An seinen heutigen Worten wird Jürgen Roth für die Dauer seiner Amtszeit gemessen werden.
Das war dem neuen Oberbürgermeister offenbar bewusst. „Lange habe ich überlegt, was mein erster Satz als neuer Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen sein soll. Denn mit dem ersten Satz ist es ja bekanntlich ein bisschen wie mit dem ersten Schritt: Der fällt oft schwer….“, hob er dann auch zu seiner Neujahrsansprache an – und war damit auf charmante Weise um eben diesen herumgekommen. Im Vorfeld hatte er wohl fast noch mehr Hände geschüttelt als am Tag seines Wahlsiegs – beinahe bis auf die Straße hinaus standen die Gäste im Theater am Ring an diesem Sonntagabend. Der Theatersaal selbst konnte sie gar nicht alle fassen – doch man hatte vorausschauend geplant und übertrug die Amtseinführung live nach nebenan in den kleinen Saal.
Die anwesende Prominenz war groß und zahlreich und die Liste der Redner lang. Doch die bedeutendste, Roths Einstandsrede, kam zum Schluss. Nachdem er schon zuvor nimmermüde Hände geschüttelt und Glückwünsche angenommen hatte, ergriff er immer noch sichtlich gerührt ob des großen Interesses an seiner Amtseinführung und seiner Person das Wort.
VS müsse „mutig und innovativ“ sein, forderte er und griff selbst auf, was er schon im Wahlkampf versprach. Und schnell wurde klar: Der Beginn seiner ersten Amtsperiode soll, geht es nach Roth, keineswegs der Haushaltsplan sein, der noch vor seinem Amtsantritt für 2019 gestrickt worden ist und momentan dem Regierungspräsidium Freiburg zur Genehmigung vorliegt. Im Gegenteil: Für den Haushalt 2019 und darauffolgende Planungen bis 2024 bedürfe es einer steigenden Konjunktur mit steigenden Steuereinnahmen – angesichts der ungewissen und merklich schlechter prognostizierten Wirtschaftslage meinte Roth: „Wir werden also die ganze Sache ganz genau beobachten müssen, bewerten und dann im Rat entscheiden, wie wir darauf reagieren“.
Der beschlossene Haushaltsplan 2019 habe die Rücklagen nahezu aufgebracht, „zumindest mal im Plan“. „Wir werden realistische Zahlen und Umsetzungen vorlegen. Wir werden mehr Aufträge an Freie Büros vergeben. Wir werden mehr erreichen müssen, mehr umsetzen – einfach gesagt: mehr Output.“
Straßenbau
Betrachte man, dass im Straßenbau allgemein davon ausgegangen werde, dass 100 000 Euro Auftragsvolumen pro Monat im Vollausbau machbar seien, – habe VS mit seinem 4,2-Millionen-Euro-Programm also eigentlich 42 Monate vor sich. „Sie sehen, wie die Sache sich entwickelt. Das alles muss auch abgeschafft werden können.“ Klar sei jedoch: „Die Zeiten der Blumen in den Straßenvertiefungen müssen aufhören“ und die Planungen müssten dahingehen, „dass wir eine Straße einmal aufmachen und alles reinlegen und erneuern, was erforderlich ist – auf einmal!“, und schlüssige Zeitpläne, nicht, dass wie in der Waldstraße über Monate oder Jahre gebaut werde.
Bildung
Keineswegs abwartend, sondern ebenso kämpferisch waren seine Ansagen zu anderen Mammutaufgaben. In Sachen Bildung etwa liege der Schwerpunkt auf den Schulen und der Schaffung von neuen Betreuungsplätzen in Kindertagesstätten für die aktuell unversorgten 250 und die noch kommenden Kinder.
Verwaltung
Als Chef der Verwaltung seien Anpassungen notwendig, Abläufe müssten optimiert, Kompetenzen verteilt und vor allem die Digitalisierung der Verwaltung geschafft werden – „dass alle an alle Vorgänge kommen, die sie für die Bearbeitung brauchen – egal wo sie sitzen“. Für die Digitalisierung „werden wir eine eigene Stabsstelle einrichten“, so Roth. Sein Ziel sei eine ämterübergreifende Festlegung von Zielen, was eine starke Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Dezernaten und Dienststellen erfordere.
Gemeinderat
In der Kommunalpolitik müsse die Zusammenarbeit zwischen Gemeinderat und Verwaltung transparenter werden. „Verständlichere Vorlagen, eine optimierte Kommunikationsstruktur und gegenseitige Wertschätzung schweben ihm vor. Auch im Dialog mit den Bürgern sah er in der jüngsten Vergangenheit, offensichtlich vor allem mit Blick auf diverse Bauvorhaben, Versäumnisse – „es reicht nicht mehr aus, eine Pressenotiz zu schreiben. Rechtzeitige Information der Anlieger, die Chance mitzureden, wird Standard werden“, versprach Roth.
Sicherheit
In Sachen Polizei strebt Roth neue Wege an. „Wir brauchen im Land mit der Polizei eine Sicherheitspartnerschaft, nicht nur in Freiburg“, forderte er und schlug vor: „Also dann machen wir das doch einfach in Villingen-Schwenningen!“ Er setze sich dafür ein, „dass man sich in Villingen-Schwenningen sicher fühlt“, egal wo.
Wirtschaft
Investorenfreundlich soll VS außerdem sein, so Roth, „das sage ich Ihnen zu!“ Es bedürfe der Umsetzung eines Innenstadtkonzeptes zur Wiederbelebung in Schwenningen und auch in Villingen in enger Absprache mit dem GVO.
Doppelstadt
Roth rief zu einer Abkehr der Gleichmacherei in der Doppelstadt auf und hofft stattdessen darauf, dass sich sein Bild des Oberzentrums etabliert: „Zwei Städte mit unterschiedlicher Entwicklung – jede für sich einmalig und besonders.“ Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten seien die vorteile der gemeinsamen Stadt, in der es unterschiedliche Vorwahlnummern, zwei Landesverbände in Sport und Kultur, vier Kirchen, Badener und Württemberger gebe. „Lassen Sie uns doch dies anerkennen und wertschätzen.“ Die Konkurrenz, machte er deutlich, liege nicht innerhalb der Stadt und auch nicht innerhalb der Region, „das Ziel muss sein, dass wir gegen die anderen Regionen bestehen können“. Und daran, dass „sein“ Villingen-Schwenningen für ihn das Zeug dazu hat, ließ Jürgen Roth keinen Zweifel: „Meine Damen und Herren, ich liebe diese Stadt!“